Volker Pade home | Biographie | Links zu Film und Fernsehen | Impressum | Datenschutzerklärung
Tomás Gutiérrez Alea | Biographie | Filmographie | Interviews
"Der Erfolgsautor in der Nacht seines Erfolgs wirft seine Frau aufs Bett. Diese ist von seinem Sturm gerührt, legt ihren Schmuck ab. Als sie sich ihm wieder zuwendet, schnarcht er. - Der erste Kuß der Frischverliebten, man strebt dem Bett zu, doch sie kommt noch einmal zurück: das Essen vom Feuer nehmen. - »Meiner wollte z.B. nicht, daß ich arbeite,« erklärt eine Compañera in eine Videokamera: Es geht um 'Machismo', in Cuba, im Milieu der HafenarbeiterInnen Havannas, die, wie der Regisseur Guiterrez Alea meint, »ziemlich gut darstellen, was unser Proletariat ist«. Film im Film, das war 1983 in Cuba außergewöhnlich: Ein Team mit Autor und Regisseur wollen den Männlichkeitswahn filmen, machen viele Interviews, finden in der Gestalt einer Verladearbeiterin (viel Haar, jung, attraktiver Jeanstyp, kämpferisch) das Vorbild für die Hauptrolle, die die Frau des Autors spielen soll. Der sich in das Vorbild verliebt und seine Frau betrügt. Der feststellt, daß man sich noch viel intensiver als geplant mit den Problemen der ArbeiterInnen befassen sollte. Der sich nicht entscheiden kann und will. So daß schließlich Film und Liebe scheitern. Ein Liebesfilm, sicher. Sicher auch zu seiner Entstehungszeit Avantgarde in Cuba mit den hineingeschnittenen Videosequenzen, subjektiver Kamera, Gegenwartsbezug und dem Gewicht kleinster Gesten. Der Film ertappt den machismo aber nicht nur in krassen Fällen (Vergewaltigung), sondern auch im Alltagsverhalten auch der Intelligenz. Ein bretonisches Lied taucht immer wieder zwischen karibischen Klängen auf: 'Wenn ich wollte, könnte ich dir die Flügel abschneiden, und dann gehörtest du mir; aber du könntest nicht fliegen, und das, was ich liebe, ist der Vogel.' Hinter diesen Satz schaut der Film nicht. Wegen diese Satzes endet der Film - das geliebte Wesen entschwindet per Jet - mit einem Kitschhimmel voller Möwen. Die Flügel sind dran. Dem abgeklärten Westseher, dessen machismo mehrere Häutungen hinter sich hat, ficht die Stoßrichtung des Films nicht an. Unsere Augen fischen sich den schnieken Lada, die intensiven Farben Havannas, die Bewegungen der vielbesonnten Menschen, die schlitzohrigen Details eines Lebens im Provisorium raus. Das Exotische von mir aus; auch wenn es in Gestalt durchweg sehr selbstbewußter ArbeiterInnen auftritt, in deren Sätzen die Weisheit wohnt.
Bus in: Die Tageszeitung 6.6.1990
"Es geht um eine Liebesgeschichte und um einen Film: Oscar ist ein Schriftsteller, der ein Drehbuch für einen Film schreiben soll, dessen Thema der 'Machismo' ist. »Der Film muß erreichen, daß die Männer sich ihres 'Machismo' bewußt werden«, sagt Arturo, der Regisseurs des Film, während sie zum Hafen von Havanna fahren, wo sie eine Befragung unter den Arbeitern beenden wollen, auf deren Grundlage das Drehbuch entstehen soll. Beide glauben, daß der Hafen einer jener Plätze ist, in denen der 'machismo' am tiefsten verwurzelt ist. Sie wollen den Widerspruch zeigen zwischen dem hohen Niveau des revolutionären Bewußtseins und der machistischen Haltung einiger Arbeiter. Um die Untersuchung durchzuführen, machen sie Videoaufnahmen von Interviews und Versammlungen. Sie sollen ihnen als Rohmaterial dienen, das die Geschichte anreichert, die sie erzählen wollen. Lina ist eine Hafenarbeiterin, für die sich Oscar interessiert zeigt. Die Beziehung zwischen Lina und Oscar wird allmählich immer intensiver und verursacht schließlich bei Oscar ein Ehekrise: seine Frau ist die Schauspielerin, die im Film die weibliche Hauptrolle spielen soll, für die Lina als Modell dient. Während der Untersuchung im Hafen weitergeht, von der man einige Videodokumente zu sehen bekommt, entdeckt Oscar andere Aspekte jener Realität, die ihm ebenso interessant erscheinen und die er in das Drehbuch aufnehmen möchte. Der Regisseur ist jedoch damit nicht einverstanden. Es wird offensichtlich, daß er von einem vorgefaßten Schema ausgeht und die Wirklichkeit nur benutzen will, um sich stärker der Wirklichkeit anzunähern, um sie besser zu verstehen. Sie führen das Vorhaben nicht zuende. (...) Bei einem Video-Interview fällt der Satz, der dem als besten Beitrag zum 5. Internationalen Festival des Lateinamerikanischen 'Nuevo Cine' im Dezember 1983 prämierten Film den Titel gab: Die Emanzipation der Frau dürfe, sagt ein Hafenarbeiter, nur »bis zu einem gewissen Punkt« (hasta cierto punto) gehen - männliche Selbstgefälligkeit nicht nur in Kuba. Aus darstellerischen Gründen - nicht etwa durch Zensur - wurde die fast zweistündige Rohfassung auf 68 Minuten geschnitten. Das ging auf Kosten einer Vertiefung , gab Aleas Film aber Spannung und Rhythmus im Wechsel von fotografischer Poesie und Dokumentation."
Walter Groh in: Die Tageszeitung, Berlin 28.2.1984 weitere Literatur: 14. Internationales Forum des Jungen Films, Berlin 1984, Informationsblatt Nr. 42 1984
Letzte Bearbeitung VP 29.1.2016
Tomás Gutiérrez Alea | Biographie | Filmographie | Interviews
Volker Pade home | Biographie | Links zu Film und Fernsehen | Impressum | Datenschutzerklärung