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Auszüge aus einem Interview mit Beat Borter:

Beat Borter


«La vida es filmar» dokumentiert die Entstehung von «La vida es silbar» von Fernando Pérez. Warum Fernando Pérez?

Alle Filme von Fernando Pérez haben präzis und stimmig ausgedrückt, was in seinem Leben und in seinem Land vor sich ging: «Clandestinos» (1987) den noch ungebrochenen Glauben an die kubanische Revolution; «Hello Hemingway» (1990) die Bedeutung individueller Träume; «Madagascar» (1994) die lähmende Ungewissheit, wie alles weitergehen soll und nun in «La vida es silbar» die befreiende Suche nach dem eigenen Glück.
Dazu kommt, dass uns seit Jahren eine enge Freundschaft verbindet und wir in der Entstehungsphase von «La vida es silbar» viel zusammen diskutiert haben – auch darüber, die Dreharbeiten mit Video zu dokumentieren. Wobei mir immer vorschwebte, auch das Umfeld, die Strassen Havannas mit den vielen Schaulustigen und ihren Reaktionen, einzubeziehen.

Welche Abmachungen trafst du zu Beginn deiner Dreharbeiten mit Fernando Pérez?

Fernando sagte mir von Beginn an, ich könne drehen, was, wann und wie ich wolle. Während der fünf Wochen Drehzeit im Sommer 1998 gab es denn auch nur wenige Momente, in denen ich beispielsweise Interviewaufnahmen unterbrechen musste, weil er für eine Szene grösstmögliche Stille, oder gar die ganze Strasse, benötigte. Sonst liess er mich und meine kubanische Crew ohne Einschränkung arbeiten. Wir gehörten gewissermassen zum Filmteam, wobei wir freilich eine eigene, beobachtende Rolle hatten.

Fernando Pérez und Kameramann

Dein Film wurde gleichzeitig mit «La vida es silbar» am Lateinamerikanischen Filmfestival von Havanna uraufgeführt. Du konntest ihn auch noch in zwei Städten der Provinz präsentieren; ausserdem wurde er sogar in der Festivalzeitung besprochen, eine Ehre, die stets nur einem kleinen Teil der rund 500 Filme zuteil wird...

Für mich waren die Reaktionen auf meinen Film in Kuba in der Tat überwältigend. Es war stets meine Absicht gewesen, einen Dokumentarfilm zu drehen, der sowohl in Kuba als auch in der Schweiz auf Interesse stossen würde.
Was dem kubanischen Publikum besonders gefiel, war die Art und Weise, wie ich mit den Schaulustigen umging. Eine ältere Frau sagte mir nach einer Vorstellung, ich hätte sie heute glücklich gemacht.
Manche Kubaner waren zunächst bezüglich der Länge des Films eher skeptisch. In Kuba gibt es seit einigen Jahren kaum neue Dokumentarfilme, und wenn, dauern sie höchstens 10 bis 20 Minuten. «La vida es filmar» ist da schon sehr ungewöhnlich, und auch Fernando hatte anfänglich seine Bedenken.
Heute hingegen sagt er mir, die Länge stimme und der Film berühre und bewege ihn sehr – und das ist für mich natürlich eines der schönsten Komplimente.

Es gab in Havanna europäische Journalisten, die sich eher enttäuscht zeigten, dass von den Schaulustigen nicht mehr pointierte Aussagen gegen die kubanische Regierung, den Staat oder das System im allgemeinen kamen. Hattest Du bei den Interviews das Gefühl, die Leute würden aus Angst nicht offen ihre Meinung äussern?

Natürlich wollen nicht alle Leute auf der Strasse und vor der Kamera offen über ihre innersten Überzeugungen und Gefühle sprechen. Aber es ging mir ja nicht darum, pointierte politische Aussagen zu provozieren. Meine Fragestellung war vielmehr diejenige von Fernandos Film: Wie kann man die schwierige Suche nach dem eigenen Glück gestalten? Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Und darauf haben die Leute sehr spontan reagiert.

Luis Alberto García

Die Absicht von «La vida es filmar» ist eben nicht die einer journalistischen Tagesarbeit, die schnell ein paar provokative Statements einfängt, um sie dann fernsehgerecht aufarbeiten und ausbeuten zu können.
«La vida es filmar» ist vielmehr eine Hommage ans Kino, an den Filmemacher und meinen Freund Fernando Pérez und an die Einwohner Havannas, die unter schwierigsten Bedingungen versuchen, ihr Glück zu finden.
Diese universelle Frage nach der Suche des Glücks im Leben besteht einerseits durchaus unabhängig vom System, in dem die jeweiligen Menschen leben, andererseits wurde sie natürlich auch im kubanischen Kontext beantwortet.
Beispielsweise sagte ein alter Mann: «Mir fehlt das wichtigste, die Partnerin», während ein junger Mann meint: «Mein Glück? Wie alle möchte ich dieses Land verlassen. Hier gefällt es mir nicht.» Bei dieser Stelle ging in den Provinzstädten jeweils ein Raunen durchs Publikum, da man eine solche Aussage in Kuba noch kaum je im Kino gehört hat. Natürlich sind solche Sätze auf der Strasse tagtäglich zu hören, aber auf der Leinwand oder gar am Fernsehen ist dies etwas Unerhörtes.
Die Diskussionen mit dem einheimischen Publikum haben gezeigt, dass «La vida es filmar» vielfältig auf diesen verschiedenen Ebenen gelesen wurde und der Film Aussagekraft über das Lebensgefühl im Kuba von heute besitzt.
Doch darüber hinaus haben die Leute in so unterschiedlichen Ländern wie Kolumbien, Argentinien und Uruguay, wo ich den Film vorführen konnte, seine Aussagen spontan auch auf die eigene Situation bezogen – und ich hoffe, dass dies auch hier in der Schweiz geschieht.

© 1999, cinematograph Filmverleih (Schweiz)

 

Letzte Bearbeitung VP 14.5.2005





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